11.08.2016

„Wir arbeiten intensiv an neuen verbesserten Behandlungsstrategien“

Prof. Dr. Jalid Seoul

Prof. Dr. Jalid Seoul

Beim Eierstockkrebs ist vor allem die Operation wichtig. Es gibt zudem Neuerungen bei der ergänzenden medikamentösen Behandlung.

Beim Eierstockkrebs ist vor allem die Operation wichtig. Es gibt zudem Neuerungen bei der ergänzenden medikamentösen Behandlung.

Interview mit Professor Dr. Jalid Sehouli, Europäisches Kompetenzzentrum für Eierstockkrebs, Charité Berlin 

Der Eierstockkrebs gilt nach wie vor als Tumor mit sehr begrenzten Heilungschancen. Doch auch bei dieser Krebsform gibt es deutliche Fortschritte. So ist inzwischen bekannt, dass es verschiedene Tumorformen gibt, die unter dem Begriff „Eierstockkrebs“ subsummiert werden. Die Entstehung der Tumore wird mittlerweile besser verstanden, was Hoffnungen nährt, gezielte und damit effektivere Therapiestrategien entwickeln zu können, wie Professor Dr. Jalid Sehouli in einem Interview erläutert. Professor Sehouli ist Direktor der Klinik für Gynäkologie mit Zentrum für onkologische Chirurgie an der Berliner Charité Universitätsmedizin.

Herr Professor Sehouli, warum ist der Eierstockkrebs nach wie vor ein so problematischer Tumor?

Beim Eierstockkrebs, wir sprechen vom Ovarialkarzinom, besteht ein großes Problem darin, dass es praktisch keine spezifischen Frühsymptome gibt. Es gibt leider auch keine Vorsorgeuntersuchungen, wie es beim Gebärmutterhalskrebs der Fall ist. Mit anderen Worten: Wenn der Tumor diagnostiziert wird, befindet er sich meist bereits in einem fortgeschrittenen Stadium und hat oft schon Absiedlungen, sogenannte Metastasen, gebildet. Dann aber sind die Heilungsaussichten der Frauen deutlich eingeschränkt. Zu bedenken dabei ist, dass Eierstockkrebs nicht gleich Eierstockkrebs ist. Es gibt unterschiedliche Tumore hinsichtlich ihrer Entstehungsbiologie und auch hinsichtlich der Tumorarchitektur.

Welche Konsequenzen hat das?

Die Art des Tumors ist von entscheidender Bedeutung für die Prognose der betroffenen Frauen. Wir haben in den vergangenen Jahren auch beim Eierstockkrebs erhebliche Fortschritte gemacht und verstehen die Entstehung der Tumore weit besser als früher. So wissen wir inzwischen, dass einige Tumore ihren Ursprung nicht im Eierstock, sondern im Eileiter haben. Das hat bereits zur Änderung der offiziellen Klassifikation der Tumore geführt. Wir arbeiten zurzeit außerdem daran, spezielle Therapiekonzepte für die verschiedenen Krebsformen zu entwickeln. Denn es gibt Hinweise, dass das optimale Vorgehen bei den jeweiligen Tumoren unterschiedlich sein kann.

Wie wird derzeit üblicherweise behandelt?

In aller Regel wird das Ovarialkarzinom zunächst operiert und damit wird versucht, den Tumor möglichst vollständig zu entfernen. Da allerdings zumeist einige Tumorzellen zurückbleiben, schließt sich praktisch immer eine Chemotherapie an, wobei wir derzeit versuchen, für die jeweiligen Frauen spezielle, der Tumorbiologie und bestimmten Tumormarkern entsprechende Behandlungskonzepte zu erarbeiten. Ein Ziel dabei ist es auch, chemotherapiefreie zielgerichtete Behandlungsstrategien zu entwickeln. Mit den Hemmstoffen der Angiogenese, also der Gefäßneubildung, haben wir zudem erweiterte Therapiemöglichkeiten für Frauen mit einem fortgeschrittenen Ovarialkarzinom an die Hand bekommen. Die Tumore können sich bei einer solchen Behandlung nicht mehr so gut mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen, wodurch das Tumorwachstum gehemmt wird. Die Angiogenesehemmung - übrigens die erste zielgerichtete Therapiestrategie beim Eierstockkrebs - verbessert zudem das Ansprechen auf die Chemotherapie. Wir geben diese Medikamente daher während der Chemotherapie, aber auch als eine Erhaltungstherapie über die Chemotherapie hinaus.

Haben diese Entwicklungen bereits zu einer Besserung der Prognose geführt?

Es gibt tatsächlich Fortschritte hinsichtlich der Prognose von Frauen mit Eierstockkrebs, wenngleich wir mit der Entwicklung insgesamt noch nicht zufrieden sind. Deshalb wird mit Hochdruck an neuen Therapieoptionen gearbeitet. Wir versuchen zum Beispiel, die Tumorgefäßblockade zu kombinieren mit Strategien, die Reparaturmechanismen der Tumorzellen hemmen. Außerdem werden Ansätze der Immuntherapie, die bei anderen Tumoren erfolgreich sind, in Studien auch beim Ovarialkarzinom geprüft. Wir setzen dabei vor allem auf die Kombination verschiedener Strategien, weil wir uns davon die besten Erfolge für die Zukunft versprechen. Dabei geht es darum, sowohl die Tumorkontrolle zu optimieren als auch die Lebensqualität der Frauen unter der Therapie zu verbessern.

Herr Professor Sehouli, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.